November 20, 2023

Anpassungsstörung und Resilienz: Marias* Weg durch die Kinderwunsch-Krise

Was ist eine Anpassungsstörung?

Stell Dir vor, das Leben wirft Dir eine große Herausforderung zu, und Du findest es schwer, damit klarzukommen. Das kann passieren, wenn etwas Unerwartetes geschieht oder sich etwas Wichtiges in Deinem Leben ändert. Wenn diese Schwierigkeiten zu viel werden und Du dich traurig, gestresst oder verloren fühlst, könnte das eine Anpassungsstörung sein. Es ist wie, wenn Du versuchst, Dich an eine neue Situation anzupassen, aber es fällt Dir schwer.

Oder Du kannst Dir eine Anpassungsstörung wie das Gefühl vorstellen, in einem stürmischen Meer zu schwimmen und nicht zu wissen, wie man ans Ufer kommt. Man fühlt sich überwältigt und verloren angesichts dieser großen Herausforderung, ist nicht in der Lage, sich anzupassen oder weiterzumachen wie zuvor.

Marias* Herausforderungen mit dem Kinderwunsch

Maria, 32 Jahre alt, Sachbearbeiterin in einem mittelgroßen Unternehmen, steht stellvertretend für viele Frauen, die sich mit unerfülltem Kinderwunsch auseinandersetzen müssen.

Vor ihrem starken Kinderwunsch und vor der Behandlung, führte Maria ein erfülltes Leben mit beruflichen Erfolg und einer liebevollen Partnerschaft. Dann bekam sie nach und nach einen starken Wusch nach einem Kind. Dieser wurde mit der Zeit immer größer. Auch spielte ihre Umgebung eine große Rolle: ihre Freundinnen wurden eine nach der anderen schwanger und schienen glücklich mit der neuen Mutterrolle zu sein. Ihre Eltern fragten fast nach jedem Familientreffen, wann es endlich so weit bei ihr und ihrem Partner ist und wann sie wieder Großeltern werden (ihr älterer Bruder Simon* hatte bereits drei kleine Kinder).

So begannen sie und ihr Mann den Kinderwunsch in die Tat umzusetzen, doch auch nach einem Jahr der vielen Versuche, blieb der Wunsch nach einem Kind unerfüllt.

Nach dem Scheitern natürlicher Bemühungen, schwanger zu werden, entschied sie sich für den Weg der künstlichen Befruchtung. Ein Schritt, der bei ihr eine intensive emotionale Reise einleitete. Dieser Prozess war für sie physisch und emotional herausfordernd. Sie musste sich selbst Hormone injizieren, es war für sie eine Herausforderung, eine Sache, die für Maria fremd und beängstigend war.

Die spätere Entnahme der Eizelle unter Narkose und die anschließende Erkenntnis, dass die Eizellen nicht für eine Befruchtung geeignet waren, brachten Maria an einen emotionalen Tiefpunkt.

Sie gab nicht auf, hatte mehrere erfolglose Versuche der künstlichen Befruchtung hinter sich. Jeder Fehlschlag zog sie emotional weiter nach unten, und der Druck wuchs.

Der Weg zur Therapie

Als Maria in meine Praxis kam, war sie emotional sehr erschöpft und verängstigt. Ihre erste Worte in der Sitzung waren: “Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es geht mir seelisch nicht gut.“

Meine erste Vermutung nach geschilderten Symptomen und einer sorgfältigen Anamnese war eine Anpassungsstörung. Sie fühlte sich überfordert und verstand ihre eigenen Gefühle nicht mehr. In meiner Praxis begann Maria mit einer Reise der Selbstentdeckung. Unsere Sitzungen konzentrierten sich zunächst darauf, Marias Emotionen loszulassen und ihre Gedanken zu erkennen, diese „sichtbar“ für Maria zu machen. Gemeinsam arbeiteten wir an dem Ziel wie sie das formulierte: „mit der Situation besser klar zu kommen und diese irgendwann zu akzeptieren.“

Der Prozess der kognitiven Verhaltenstherapie

In etwa 25 Sitzungen der kognitiven Verhaltenstherapie arbeiteten wir gemeinsam daran, Marias Gedankenmuster zu verstehen und zu verändern. Diese Therapieform hilft dabei, belastende Gedanken zu identifizieren und durch gesündere zu ersetzen. Die Therapiesitzungen halfen Maria, ihre Situation aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Sie lernte, ihre unerfüllten Wünsche zu akzeptieren. Sie lernte emphatischer und mit Mitgefühl auf sich selbst zu reagieren. Sie begann, alternative Lebenswege zu erkunden, wie Adoption oder soziales Engagement.

Die Bedeutung der Selbstakzeptanz und Unterstützung durch den Partner

Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie war die Arbeit an Marias Selbstakzeptanz. In den Sitzungen lernte sie, sich von dem Druck zu befreien, bestimmte Lebensziele erreichen zu müssen, um sich vollständig zu fühlen. Maria lernte, dass es in Ordnung ist, Traurigkeit und Enttäuschung zu empfinden, und dass es ebenso wichtig ist, sich Raum für andere, alternative, neue Möglichkeiten zu geben.

Während der Therapiezeit war Marias Partner eine wesentliche Stütze für sie. Maria entschied, ihren Kinderwunsch vor Freunden und Familie geheim zu halten. Sie fürchtete das Unverständnis der Eltern und wollte ihre Freunde nicht beunruhigen.

Marias Partner sah, wie sehr sie litt, und war es, der ihr vorschlug, professionelle Hilfe zu suchen. Obwohl der Prozess der Kinderwunschbehandlung auch für ihn nicht einfach war, half ihm seine innere Stärke, die Situation besser zu bewältigen. Er verstand, dass jeder Mensch anders auf Stress reagiert. Seine Unterstützung war einfühlsam und geduldig, und er versuchte stets, Maria zu motivieren und ihr zur Seite zu stehen.

Lektionen über individuelle Resilienz

Damals während der Behandlung in der Klinik traf Maria auf Frauen, die bereits sehr viele erfolglose Versuche hinter sich hatten und dennoch mental stabil wirkten. Das brachte Maria dazu, über die ganz individuelle Natur der Widerstandskraft, der Resilienz, nachzudenken. Sie erkannte, dass jeder Mensch anders auf Herausforderungen reagiert und es keinen Sinn macht, sich mit anderen zu vergleichen. Sie hatte erkannt, dass sie einen eigene Weg finden muss, mit dieser Herausforderung umzugehen.

Marias neuer Lebensweg

Heute steht Maria wieder fester im Leben. Sie ist bereit, neue Versuche in der Kinderwunschklinik zu wagen. Sie steht an einem neuen Anfang. In der Therapie hat sie auch gelernt, dass das Leben vielfältige Wege und Möglichkeiten bietet. Ihre Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, Unterstützung zu suchen und zu akzeptieren, dass jeder Mensch einzigartig auf die Herausforderungen des Lebens reagiert. Sie hat gelernt, wie aus einer Krise ein persönliches Wachstum entstehen kann und hat gelernt, dass mit professioneller Unterstützung neue Perspektiven und Hoffnung in schwierigen Zeiten entstehen können.

Deine Oksana Pollinger

Heilpraktikerin für Psychotherapie, psychologische Beraterin und Coach

*In diesem Text genannten Namen und relevanten Daten von Klienten wurden ausnahmslos geändert, um die Privatsphäre und Vertraulichkeit zu schützen. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen, lebendig oder verstorben, ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Die Wiedergabe von Geschichten erfolgt ausschließlich mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Klienten.

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