Letzte Woche hatte ich ein tiefgreifendes Gespräch mit meinem Bekannten Daniel*, einem jungen Mann unter 30 Jahren. Unser Treffen, normalerweise eine Gelegenheit, über das Leben zu plaudern und Kaffee zu trinken, nahm diesmal eine ernstere Wendung.
Daniel* war sichtlich bestürzt und traurig. Der Grund: Eine Klassenkameradin von ihm war unerwartet an einem Herzinfarkt verstorben – einfach so, plötzlich. Die Ärzte konnten nur ihren Tod feststellen. Für Daniel* war dies ein schockierendes Erwachen. Trotz seiner Jugend und scheinbar kerngesunder Verfassung wurde ihm schmerzlich bewusst, dass das Leben endlich ist und der Tod unerwartet kommen kann.
Diese Erfahrung erinnert mich an eine wichtige, wenn auch oft unbequeme Wahrheit: Der Tod unterscheidet nicht. Er trifft nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen, die Reichen wie die Armen, sowohl die Geliebten als auch die Vergessenen. Jeder von uns, unabhängig von Alter oder Lebensweg, steht vor dieser unvermeidlichen Wahrheit.
Der Tod von Altersgenossen erschüttert uns tief. Wenn jemand, der jünger ist als wir, stirbt, erschüttert uns das noch mehr. Es lässt uns den Atem des Todes ganz nah spüren. Es ist eine brutale Erinnerung daran, dass der Tod nicht nur im Alter eintritt und dass einige, mit denen wir aufgewachsen sind, nicht mehr unter uns weilen.
Wir Menschen lieben die Kontrolle und streben danach, sie in unserem Leben zu maximieren. Doch Krankheiten, Kriege, Katastrophen, Unfälle und andere schlimmer Ereignisse entziehen uns diese Kontrolle und konfrontieren uns mit der Plötzlichkeit des Todes. In solchen Momenten trauern wir über die Vergänglichkeit der Welt, über das Böse, das in ihr existiert, und darüber, dass es uns und die, die wir lieben, betrifft.
Diese Einsicht in die Vergänglichkeit aller Dinge, in die Endlichkeit unseres Seins, kann uns tief berühren. Wir empfinden Bitterkeit, wenn wir von Menschen erfahren, die Opfer von Kriegen, Terrorakten oder Naturkatastrophen geworden sind. Manchmal denken wir, dass der Verstorbene den Tod nicht verdient hatte, weil er gut, jung, talentiert oder in irgendeiner Weise besonders war.
Egal um wen wir trauern, wir trauern letztendlich um uns selbst. Dieser Satz wird oft Emil Korotki zugeschrieben, jedoch gibt es keine verlässliche Quelle, die bestätigt, dass dieser Satz tatsächlich von ihm stammt. Es ist möglich, dass es sich um ein allgemeines Sprichwort oder eine philosophische Aussage handelt, die fälschlicherweise ihm zugeordnet wurde. So merken wir auch hier, dass die Zeit keine Gnade kennt und die Herkunft des Zitats im Laufe der Zeit auch oft ‘stirbt’. Unser Schmerz ist oft ein Spiegel unserer eigenen Ängste, unserer Sorgen um die Vergänglichkeit und unsere eigene Endlichkeit.
Wenn der Tod fremder Menschen dich berührt, überlege dir, was dieser Tod persönlich für dich bedeutet.
Was geht mit diesem Tod verloren? Welche Werte betrifft das: Sicherheit, Identität, Gerechtigkeit, Ordnung, etwas anderes?
Daniels* Geschichte ist eine Erinnerung daran, dass wir jeden Moment schätzen sollten. Sie lehrt uns, das Leben in vollen Zügen zu genießen, da wir nie wissen, wann unsere Zeit abgelaufen ist. In dieser Hinsicht ist jeder Tag, den wir leben, ein kostbares Geschenk.
Abschließend möchte ich meinen Lesern ein Buch ans Herz legen, das sich auf eine tiefgründige und zugleich zugängliche Weise mit dem Thema der Vergänglichkeit und des Umgangs mit dem Tod auseinandersetzt. Es ist Irvin Yaloms “In die Sonne schauen”. In diesem Werk erforscht Yalom, ein renommierter Psychiater und Schriftsteller, die vielfältigen Aspekte des Todes und wie wir als Menschen damit umgehen können. Dies ist keine Werbung, sondern eine Empfehlung aus persönlicher Überzeugung. Yaloms Einblicke können eine wertvolle Ergänzung zu den Gedanken und Gefühlen sein, die ich in diesem Artikel geteilt habe. Es ist ein Buch, das nicht nur Trost bietet, sondern auch dazu anregt, unser eigenes Leben mit mehr Tiefe und Bewusstsein zu betrachten.
Deine Oksana Pollinger
Heilpraktikerin für Psychotherapie, psychologische Beraterin und Coach
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